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Küsterschulhaus

Küsterhaus
Westlich der Kirche, direkt neben dem Turm, steht seit alters her das Haus des Küsters. Bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts musste jeder Küster dieses aus eigenem Vermögen bauen und instand halten. 1742 erwirkte der Küster Siedenburg beim Konsortium in Stade durch den Kirchenvorstand, dass die Gemeinde für den Bau seines Hauses aufkommen und sich für dessen Unterhalt verpflichten solle. Die Gemeindemitglieder akzeptierten dies, weigerten sich aber, auch noch die Kosten für eine geplante angrenzende Scheune zu übernehmen, so dass Siedenburg diese selbst zahlen musste. Zum Küsterhaus, in dem sich auch die Wohnung des Organisten befand, gehörte auch ein Garten am Wümmedeich. Es handelte sich vermutlich um das Grundstück des heutigen Hauses Nr. 4. Das Küsterhaus befand sich oft in keinem guten baulichen Zustand, und es wurden zahlreiche Umbauten organisiert und Renovierungsgesuche gestellt.


Nachdem der Pastor den Unterricht an den Küster abgegeben hatte, fanden im Küsterhaus gleichzeitig Lehrstunden, Familienleben und gewerbliche Tätigkeit statt, bevor man 1745 ein kleines abgetrenntes Schulhaus errichtete. Im Vorfeld der sonntäglichen Gottesdienste diente das Küsterhaus jahrzehntelang bis weit in das 20. Jahrhundert auch als Gastwirtschaft mit Ausschank. Noch im 18. Jahrhundert erfolgte hier eine Trennung von Männern und Frauen. Während letztere
ins Pfarrhaus zogen, tranken die Männer in dem des Küsters. In diesem Zusammenhang beklagte sich 1877 der Pastor Schönfeld über die Zugluft und die Kälte auf der Diele, die einen dortigen Aufenthalt nicht angenehm mache und viele Männer vom Kommen abhielte, sodass auch die Gottesdienste nur sehr schlecht besucht seien. 

 

Er bat um den Bau eines Schornsteins. Am 21. Oktober desselben Jahres stellte der Kirchenvorstand einen entsprechenden Antrag, den er am 23. November erneuerte – mit einem zwei Tage zuvor ausgestellten Kostenvoranschlag des Tischlers Costens und des Maurers Meier aus Torfmoor zwecks Herstellung eines „heizbaren Dielenraumes“. Sieben Jahre darauf erhielt der Kirchen- und Schulvorstand eine Aufforderung, Pläne zur Erweiterung des Hauses vorzulegen. Diese Forderung wurde in einem Mahnschreiben des Königlichen Konsortiums vom 24. April 1884 noch einmal wiederholt. Am 29. November selben Jahres genehmigte das Konsortium die vorgelegten Pläne für einen Erweiterungsbau und am 29. Dezember legte Johann Lürßen aus Ritterhude seinen Kostenentwurf vor. Zwölf Jahre später, 1896, führte er die Arbeiten durch und schuf das Küsterhaus in seiner heutigen Form.


Im Küsterhaus zu St. Jürgen kam am 4. Februar 1844 der Maler Christian Ludwig Bokelmann (*1844; † 1894) zur Welt, der im Winter 1892 / 1893 Meisterlehrer von Fritz Mackensen war. Ein populärer Anwärter auf das Amt des Küsters war der Schriftsteller Arno Schmidt. Aus Briefwechseln mit Alfred Andersch und geht hervor, dass er sich ab Sommer 1957 auf die Suche nach einer Wohnung in Norddeutschland machte. Am 9. Oktober informierte er Andersch über die freie Küsterstelle in St. Jürgen. Das Küsterhaus sei für 80 Deutsche Mark zu mieten, so man sich bereit erkläre, Küsterdienste zu übernehmen. Schmidt zeigte sich fasziniert von der Einsamkeit der Kirche und der eventuellen Wohnmöglichkeit und beabsichtigte, dort sein Werk Lilienthal 1801, sehr viel später unter dem Titel Arno Schmidts Lilienthal 1801, oder Die Astronomen. Fragmente eines nicht geschriebenen Romans veröffentlicht, zu schreiben. Aus diesem Grunde schickte er am 22. Oktober eine entsprechende Bewerbung an das Pfarramt, erhielt aber am 7. November von Hermann Schulz (Pastor von 1957 bis 1970) einen abschlägigen Bescheid.


Nachdem das Küsterhaus etliche Jahre nicht mehr bewohnt war, verfiel die Bausubstanz so sehr, dass die Kirche als Eigentümer des Gebäudes den Abriss erwog. Um das einmalige Gebäudeensemble auf der Kirchenwarft zu erhalten, gründete sich deshalb in den 1980ger Jahren ein Förderkreis zur Erhaltung des Küsterschulhauses St. Jürgen. Diesem Förderkreis gelang es durch großes Engagement seiner Mitglieder, eine Summe von mehr als 450.000DM an Spenden und Fördergeldern einzuwerben und die Wohnung im Küsterhaus und die Schulstube so zu renovieren, dass die Wohnung wieder vermietet werden und die Schulstube genutzt werden konnte. Nach Abschluss der Renovierungsarbeiten übergab der Förderkreis das Gebäude an die Kirchengemeinde
und löste sich auf.


Als im Rahmen des Gebäudemanagementes der Landeskirche ein Verkauf des Küsterschulhauses drohte, gründete sich 2015 der Bürgerverein Kirchort St. Jürgen, der es sich zum Ziel gesetzt hat, mit dem Erhalt des Küsterschulhauses das einmalige Gebäudeensemble auf der Kirchwarft zu erhalten.